Queer in München

Für unsere neue re.story haben wir uns in der queeren Szene Münchens umgesehen und mit verschiedenen Frauen über ihr Leben und ihren unermüdlichen Einsatz für die LGBTQI+-Community gesprochen. Sie erzählen ihre persönlichen Geschichten von Zeiten des Wandels und Widerstands, von den Herausforderungen und Erfolgen ihrer Arbeit und davon, wie sie heute ein starkes Netzwerk aufgebaut haben.

Diese Frauen sind Vorbilder, die den Weg für eine offene Gesellschaft geebnet und neue Räume für Zusammenhalt geschaffen haben. Ihre Lebenswege zeigen, wie wichtig Mut, Gemeinschaft und die eigene Stimme sind – und wie wertvoll jede einzelne Geschichte auf diesem Weg ist.

Elke

Elke ist in Hamburg aufgewachsen. Schon mit zwölf Jahren spürte sie, dass sie anders war als die Mädchen um sie herum. Fußball spielen, auf Bäume klettern und doch auch mit Mädchen zusammen sein – das wollte sie. So richtig einordnen konnte sie das damals noch nicht, denn Vorbilder oder Informationen für queere Jugendliche gab es – anders als heute – eigentlich nicht.

In einem evangelischen Internat fühlte sie sich zum ersten Mal zu einem anderen Mädchen hingezogen. Als genau dieses Mädchen zu Elke sagte: „Oh weia, ich glaube, ich stehe auf Frauen, ich glaube, ich bin lesbisch“, war ihr erster Gedanke: „Was ist das denn?!

1974 zog Elke dann nach Berlin, wo auch ihre erste Liebe lebte. Die neue Stadt und Liebeskummer ließen sie dann eine ganz neue Welt entdecken. Sie tauchte tief in die queere Szene Berlins ein. Als Elke in einer Lesben-Bar gefragt wurde, ob sie bei der LAZ – das lesbische Aktionszentrum Berlin – mitgründen wolle, war sie erst einmal überfordert… Das ist ja politisch!

Doch sie schloss sich der Bewegung an und kämpfte gemeinsam mit den anderen Frauen für Gleichberechtigung. Mit Aktionen und Protesten machten sie auf die lesbisch-feministische Bewegung aufmerksam – trotz Diskriminierung und Widerständen. Ihre Erkennungszeichen waren lila Latzhosen und Holzfällerhemden.

Als Elke 1984 nach München kam, übernahm sie ein kleines Hotel am Schliersee. Es wurde schnell zu einem beliebten Treffpunkt für die lesbische Community, ein Ort zum Feiern, (veganen) Essen und Zusammensein. Als das Hotel dann für andere Zwecke genutzt werden sollte, eröffnete Elke ihren eigenen kleinen Bioladen in München.

Heute engagiert sich Elke unter anderem im Organisationsteam des Lesbensalons in München, wo sie sich weiterhin für Sichtbarkeit und Gleichberechtigung einsetzt – und zeigt damit, dass der Kampf für eine offene und respektvolle Gesellschaft nie aufhört.

Wie Queer war München denn damals und wie ist es heute?

In den 1980er Jahren war München ein Ort des Aufbruchs, voller politischem Engagement und Aktivismus in der queeren Community. Neben Kneipen für Frauen entstand der erste Frauenbuchladen Deutschlands, der nicht nur Literatur anbot, sondern auch ein wichtiger Treffpunkt für Frauen und LGBTQI+ Szene war. Es entstanden queere Gesundheits- und Therapiezentren und es gab zahlreiche Demonstrationen und Proteste. Die Vernetzung der queeren Szene war stark von dem Wunsch geprägt, die Bewegung zu sichern und weiterzutragen.

Elke erzählt, dass der Aktivismus in Wellen kommt und geht. Diejenigen, die unermüdlich kämpfen, stoßen irgendwann an ihre Grenzen, und wenn die jüngeren Generationen nicht mit der gleichen Energie weiterkämpfen, droht die Bewegung zu erlahmen. Und das hat sie in den letzten Jahrzehnten gespürt. Ende der 80er und Anfang der 90er drehte sich vieles um den Erhalt der hart erkämpften Freiheit. Doch Ende der 1990er Jahre bis in die 2010er Jahre hinein geriet die Bewegung in eine Art Stillstand. Heute spürt die Community zunehmend Gegenwind, queere Zentren werden Ziel von Vandalismus und auf den CSDs kommt es immer öfter zu diskriminierenden Begegnungen. Gerade jetzt ist es wichtig, sich immer wieder und immer weiter für Gleichberechtigung einzusetzen.

Sabine

Sabine spürte schon früh, dass sie anders war, als man es von Mädchen in ihrem Umfeld erwartete. Ihr Bruder durfte viel mehr als sie und ihre Schwester. Das weckte in Sabine den Wunsch, sich von klassischen Rollenbildern zu befreien. Diese Einstellung führte oft zu Konflikten in ihrer Familie. In ihrer Jugend las Sabine das Buch „Winterliebe“ – eine Geschichte über die Liebe zwischen Frauen. Es spiegelte die gesellschaftliche Sicht auf lesbische Frauen wider und half ihr, ihre eigene Identität zu verstehen.

Mit 17 Jahren entdeckte Sabine die Subkultur in Hamburg – eine alternative Szene, die sich von der gesellschaftlichen Norm abgrenzt. Nach einer Ausbildung zur Buchhändlerin zog sie nach München, um einen Neuanfang zu wagen. Dort schloss sie sich der feministischen Frauenbewegung an. 1975 gründete sie mit fünf anderen Frauen „Lillemor’s“, den ersten Frauenbuchladen in Deutschland – einen Raum für feministische Literatur, Austausch und Solidarität. Später initiierte sie Projekte wie die Frauenkulturwoche Fenoptika, etablierte die Selbstverteidigung Methode Wendo in Deutschland und gründete die Scala Frauenfilminitiative, einen Ort für Filme von und für Frauen.

Sabine gehört zu der Generation, die sich Ende der 60er- und Anfang der 70er Jahre politisiert hat. Gemeinsam mit anderen Frauen kämpft sie bis heute gegen patriarchale Strukturen und die konservative Familienpolitik. „Wir hatten die Schnauze voll, von Männern bevormundet zu werden“, sagt sie heute. Besonders der Widerstand gegen § 218 und der Einsatz für eine selbstbestimmte Sexualität prägten diese Zeit.

In dieser befreienden Atmosphäre fanden auch lesbische Frauen ihre Identität und kämpften gemeinsam mit heterosexuellen Feministinnen für Gleichberechtigung. Sabine und ihre Mitstreiterinnen brachten lesbische Lebensformen ins öffentliche Bewusstsein und trugen dazu bei, dass die LGBTQI+-Community heute sichtbarer und freier leben kann.

2011 gründete Sabine gemeinsam mit Lising Pagenstecher und Christine Schäfer den Lesbensalon – einen Treffpunkt für ältere lesbische Frauen, die heute zwischen 55 und 94 Jahre alt sind. Hier finden die Frauen Rückhalt und Raum, um lesbische Lebensweisen als gleichberechtigt zu leben und sichtbar zu machen. Sabine übernimmt jeden dritten Donnerstag im Monat den Thekendienst und beschreibt den Lesbensalon als einen Ort der Begegnung, an dem Solidarität und Akzeptanz im Mittelpunkt stehen.

Auszeichnung für Sabine

Als wir die Frauen ein zweites Mal im LEZ besuchten, feierte Sabine mit all ihren Freundinnen ihre Auszeichnung durch die Stadt München: die Medaille „München leuchtet – Den Freundinnen und Freunden Münchens“ in Bronze geehrt. Diese Ehrung würdigt ihren unglaublich wichtigen Beitrag für die Frauen-, Lesben- und LGBTIQI+ Bewegung und ihre Arbeit für mehr Akzeptanz und Sichtbarkeit.

Sabine hofft auf mehr Solidarität innerhalb der LGBTQI+-Community. „Wir alle kennen Diskriminierung und Ausgrenzung“, betont sie. „Wenn jede und jeder akzeptiert wird, von jedem und jeder, wenn Differenzen offen und konstruktiv ausgehalten und ausgetragen werden, leisten wir alle einen aktiven Beitrag dazu, dass in der Community die Vielfalt auch in Zukunft leben wird.“ Für Sabine bleibt die Utopie einer solidarischen und wertschätzenden Gemeinschaft ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt.

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