Wir haben Petra, Kalligrafin aus München in ihrem Atelier und in ihrer Ausstellung besucht. Ihre Geschichte zeigt, wie ein kleiner Moment, eine zufällige Begegnung und ein Anruf das Leben in eine ganz neue Richtung lenken kann. Petra ist Dipl. Kommunikationsdesignerin und arbeitete Jahrelang als Artdirektorin für Agenturen. Heute geht sie ihrer Leidenschaft als Kalligrafin nach – sie arbeitet für Brands aus dem Luxussegment, Verlage und Magazine, gibt Kurse an Hochschulen und hat ihre eigenen Kunstprojekte und Ausstellungen. Ihr Atelier in ihrer hellen Altbau Wohnung inmitten Münchens, bietet viel Raum für Kreativität, Tanz und Ausdruck – oder auch alles in Verbindung.

Hallo Petra, du sagst, du wärst nie alleine zur Kalligrafie gekommen. Was hat dich auf diesen Weg gebracht?

Petra: Ich bekam eine Anfrage einer High-Fashion-Brand, die in der Münchner Innenstadt einen neuen Store eröffneten. Dafür brauchten sie drei Kalligraf:innen, die für die Gäste vor Ort personalisierte Karten schreiben. Als sie mich anriefen, war ich erst ganz verwundert, schließlich hatte ich zu dem Zeitpunkt nichts mit der Kalligrafie zu tun. Ich bin von Natur aus neugierig und nahm die Herausforderung an. Eine Woche bereitete ich mich intensiv darauf vor und machte nichts anderes, als verschiedene Schriftarten auszuprobieren. Bei dem Casting wurde ich dann ausgewählt.
Da habe ich gemerkt, dass berühmte Menschen Schlange stehen und darauf warten, dass ihnen etwas schreibe. Das war sehr besonders. 😀

Zwei Jahre später habe ich herausgefunden, dass eine Freundin mich in einer verschneiten Skihütte der Auftraggeberin empfohlen hatte. Also: Fake it until you make it!

Nach meinem ersten, zufälligen Auftrag habe ich beschlossen, mich auf die Kalligrafie zu spezialisieren. Ich suchte mir wirklich gute Lehrer*innen, in Italien, England und der Schweiz und tauchte tief in das Thema ein.

Seitdem habe ich eine neue Leidenschaft für mich  entdeckt und meinen Beruf zu meinem Hobby werden lassen: ich arbeite für ganz verschiedene Brands, mache meine eigenen, freien Projekte, gebe Workshops und unterrichte an Hochschulen.

Wie sieht ein typischer Alltag in deinem Leben aus?

Petra: Also entweder arbeite ich an Aufträgen für Kund*innen oder an meinen Projekten. Meistens fange ich um 9 Uhr bei mir Zuhause im Atelier an zu arbeiten – und gut angezogen.)! 😀

Ein typischer Alltag beginnt dann mit dem Beantworten von E-Mails, Angebote zu machen oder mich um meinen Instagram zu kümmern. Manchmal mache ich auch Fortbildungen, für die ich dann lerne. Für mich ist es echter Luxus mir jeden Tag frei gestalten zu können. Die Entscheidung, wann ich welche Aufträge mache, wann ich an meinen Projekten arbeite oder die Sonne genieße, liegt ganz bei mir.

Planst du deine Projekte?

Petra: Meine freien Arbeiten plane ich insofern, dass ich vorher festlege, mit welchem Format und welchen Materialien ich arbeite. Bei meinen Aufträgen hab ich immer genaue Vorgaben.
Ich mag den Mix aus diesen beiden Bereichen und liebe die Wertschätzung, die mir in meinem Beruf entgegen kommt. 

Was macht das Schreiben mit dir?

Petra: Schreiben hat für mich was sehr Meditatives und bringt mich immer runter. Das Geräusch der kratzenden Feder und die Bewegung der Hand löst in mir eine Ruhe aus.
An manchen Tagen kommt es aber auch vor, dass ich überhaupt nicht schreiben kann, weil ich zu energiegeladen bin oder einen schlechten Tag hatte. An diesen Tagen arbeite ich nie an Aufträgen, wo ich keine Fehler machen darf. Ich schreibe dann lieber kleine Karten arbeite für mich selbst. Da kann ich all meine Emotionen und Stimmungen einbringen, das erdet mich total.

Mit welchen Materialien arbeitest du am liebsten?

Petra: Was ich super viel mache ist, meine Werkzeuge selber zu gestalten. Das mache ich aus den verschiedensten Dingen, aus der Natur oder meinem Haushalt, und lasse mich überraschen, was sie für Spuren hinterlassen. So bekommen meine Schriftbilder nochmal eine ganz individuelle Note.

Kaufen tue ich eigentlich nur Papier, Tinte und vereinzelt Werkzeuge, wie Federn oder Pinsel. Zu denen habe ich dann immer oft auch einen örtlichen Bezug. Ich war in Seoul und Peking, wo die Pinsel einfach eine ganz andere Qualität haben. Wenn ich sie in der Hand halte, habe ich direkt ein ganz besonderes Gefühl.

Welche Themen finden sich in deiner Kunst wieder?

Petra: Sprache und Literatur findet sich natürlich in meinen Werken immer wieder. Ich habe eine Sammlung von Wörtern und Sprüchen, die mir so über den Weg laufen, manchmal kommen sie mir aber auch ganz spontan. Zum Beispiel beim Tanzen. Auch Kreise sind immer wieder Thema in meinen Bildern, es ist für mich eine Verbindung zum Tanz, wie auch mit der Erde und dem Universum.

Was machst du neben der Kalligrafie?

Petra: Ich tanze seit 3 Jahren Tango, was für mich auch eine Art des kreativen Ausdrucks ist. Das mache ich sehr viel, bestimmt viermal die Woche. In meiner Jugend hab ich Leistungssport Tuniertanzen gemacht. Der Tanz ist einfach meins. Die Energie kommt aus der Bewegung und der Rhythmus kommt dann wieder in die Kalligrafie zurück, besonders wenn ich frei arbeite. Ich liebe Musik und arbeite sehr gerne auch mit Musik.

Eine andere kleine Leidenschaft von mir sind Steine. Mein Name bedeutet »Stein, Fels«. Ihr seht sie überall in meinem Atelier. Ich habe gerade von meinem Freund inspiriert mit dem Klettern angefangen und komme da völlig aus meiner Komfortzone raus. Erst ging es mit Bouldern los und dann nach wenigen Malen in der Kletterhalle, schnell an den Fels. Blutiger Anfänger und es rockt. Ich merke einfach, dass ich mir viel mehr zutrauen kann, als ich denke und wie toll es ist, über seine Grenzen hinaus zu gehen. Und das ist sowohl in der Kunst, als auch im Tango und beim Klettern das gleiche. Hier verbindet sich Körper und Seele. Ein Gefühl von Freiheit, Gedanken kommen zur Ruhe. Einfach nur sein.

Hast du ein Projekt, das du nie vergessen wirst?

Petra: Ja, da musste ich ein Artikel für die »Zeit« wie ein Brief in Plakatformat schreiben. Das war für ein große Herausforderung in kurzer Zeit. Zunächst habe ich ihnen verschiedene Schriftproben geschickt. In dem Text ging es um das Handwerk, aber auch die schwierigen Seiten davon und sie wollten, dass man das in meinem Text erkennt. Dass Handwerk Arbeit macht. Das konnte ich mit meiner Feder gut rüberbringen, man sieht die Stellen, an denen sich die Feder spreizt, die Tinte mal mehr, mal weniger auf dem Papier ist, Das war ein schöner Auftrag.

Wie siehst du die Kalligrafie in der Zukunft auch mit Blick auf die KI?

Petra: Die KI tut sich momentan in der Schrift noch schwer, gerade was freie Handschrift angeht. Ich wurde von Agenturen auch schon gefragt, ob ich nicht mehrere Alphabete mit meiner Handschrift ausfülle, damit sie ihre KI damit füttern können. Das lehne ich grundsätzlich ab.

Es gibt mittlerweile auch schon Kalligrafie-Roboter, da mache ich mir schon manchmal Gedanken. Doch es geht bei vielen meiner Aufträge um das ganze persönliche. In stilvollen Ambiente in Person zu sitzen und individuelle Karten per Hand zu schreiben, darüber zu erzählen. Meine Auftraggeber*innen legen viel Wert auf noch richtig gutes Handwerk, das ist deren Markenzeichen und Handschrift, da würden KI und Roboter einfach nicht in die Philosophie passen – und das ist auch gut so.

Schaut doch auch auf Petras oder unserem Instagram vorbei.
Wir freuen uns auf euch!

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